Geschichte der Kirchengemeinde Röttingen

Auszüge aus der Chronik der Pfarrei Röttingen mit freundlicher Genehmigung vom Autor Elmar D. Schmid

Aus der Chronik unserer Kirchengemeinde

Der Landstrich um Röttingen hat eine bewegte Vergangenheit. Die Endung -ingen des Ortsnamens deutet auf eine uralemannische Nieder­lassung (4. Jahrh.), der wohl eine ältere Besiedlung vorausging. Die Christianisierung erfolgte im 7. oder 8. Jahrhundert, urkundlich wird der Ort erstmals 1230 genannt. Der Nähe Kloster Ellwangens scheint Röttingen seinen Kirchenpatron, den hl. Gangolf, zu verdanken. St. Gan­golf genoss in Ellwangen, das Reliquien des Heiligen besaß, besondere Verehrung. St. Gangolf war Gebietsherr von Langres, Zeitgenosse und Landsmann des hl. Hariolf, der Kloster Ellwangen gründete (764). In Röttingen sind die Spuren dreier Wasserburgen nachzuweisen, die sich in verschiedenem Besitz befanden. Eine dieser Burgen erwarben die Schenken von Schenkenstein, die — ursprünglich Schenken von Ehringen genannt — seit 1263 als Ministerialen der Grafen von Oettingen auf Burg Schenkenstein bei Aufhausen saßen. Nach Aussterben der Schenken kam Röttingen an Brandenburg-Ansbach und Oettingen. 1676 wurde es von Oettingen-Baldern ganz erworben.
Kirchlich war Röttingen, das schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts zu den großen, reichbegüterten Pfarreien des Landkapitels Ellwangen zählte, Mittelpunkt der Herrschaft Schenkenstein. Burg Schenkenstein und Auf­hausen waren nach Röttingen eingepfarrt. Die Röttinger Pfarrkirche stand unter dem Patronat der Schenken und diente als Grablege des Geschlechts. Da Röttingen eine reiche Pfründe besaß, lag den Patronatsherren daran, die Pfarrstelle einem Geistlichen aus ihrem Geschlecht oder Verwandten zu übertragen. 1466 bis 1478 war Albrecht Schenk von Schenkenstein, ein Sohn Jörgs III., Pfarrherr in Röttingen. Albrecht trat um 1426 in das Be­nediktinerkloster Ellwangen ein. 1452 wurde er vom Konvent zum Abt gewählt, durch den Papst aber nicht bestätigt. Nach freiwilligem Verzicht trat Johann von Hürnheim an seine Stelle. Als das Kloster 1460 in ein adeliges Chorherrnstift umgewandelt wurde, war Albrecht Pfleger und Scholastikus des Stifts, bis er 1478 starb.
Albrechts Nachfolger an der Röttinger Pfarrkirche waren die Brüder Bernhard und Conrad Adelmann von Adelmannsfelden, die Söhne seines Vetters. Bernhard hatte die Röttinger Pfarrstelle von 1478—1504, Conrad von 1504—1530 inne. Von Augsburg aus, wo beide im Domkapitel saßen, hielten sie Verbindung und Freundschaft mit den berühmten Humanisten ihrer Zeit. Auch mit Luther hatten sie Kontakt. Bernhard war einer der ersten Freunde Luthers in Süddeutschland und half ihm bei der Flucht aus dem Reichstag zu Augsburg (1518). Dies lässt erkennen, wie bedeutend Röttingen und seine Pfarrstelle im ausgehenden Mittelalter war.

Die Pfarrkirche St. Gangolf, die Ende des 15. Jahrhunderts erbaut wurde

Unsere Pfarrkirche

Die Kirche erhebt sich — zentral im Dorfkern gelegen — auf einer leichten Anhöhe inmitten des früher befestigten Friedhofs. Beherr­schend heben sich der eingezogene Chor und der im Norden ange­fügte mächtige Turm vom Kirchenschiff ab. Nach Westen schließt ein hoher, fast fensterloser Giebel aus Quadersteinen den Kirchenbau. Während das Kirchenschiff bis auf die schön profilierten Portale schlicht gestaltet ist (verputztes Bruchmauerwerk), zeichnen sich Chor und Turm durch sorgfältige Quaderung und prächtige Steinmetzarbeit aus. Als Baumaterial wurden Steine des braunen Jura verwendet, der um Röttingen vorkommt. Wie Zangenlöcher bestätigen, wurden die Steine mit Hilfe eines Krans versetzt. Die eisengeschmiedete Greif­zange ist — als eine von dreien in Deutschland (!) — erhalten. Der Chor ist zweijochig angelegt und gegen das Schiff einge­zogen. Vertikal ist der Chorbau durch schmale Strebepfeiler gegliedert. In den Wandfeldern befinden sich wohlproportionierte Fenster. Sie sind zweigeteilt und besitzen einfaches Maßwerk aus Kreissegment- und Kreisformen. Im Ge­wände sind Hohlkehlen. Die waagrechte Gliederung übernimmt ein in Höhe der Fensterbänke verlaufendes Gesims. Während das Mauerwerk durch betonte Glätte gekennzeichnet ist, sammelt sich an den Pfeilern Bauornamentik und plastischer Schmuck. Über dem er­wähnten Gesims erscheint im Norden und Osten liegendes Getier, an den südlichen Pfeilern die Büste einer jungen Frau, gepaart mit dem Tod, sowie ein Engel mit dem Wappen der Schenken, gepaart mit Veronika, die das Schweißtuch Christi hält. In der Mittelzone der Streben stehen sich schlanke gerahmte Felder gegenüber, die oben mit Rosen, Ranken und Astgeflecht gefüllt sind. Im oberen Teil trugen die Pfeiler Standfiguren. Sie standen auf Konsolen, von denen sich eine erhalten hat. Unter der Figurenzone jeweils Getier, das auf dem Wasserschlag liegt; darüber kunstvoll gefertigte Bal­dachindächer (stark verwittert).
Der im Norden beherrschend zwischen Chor und Schiff ge­rückte Turm ist in seinen drei Quadergeschossen als Wehrturm gebaut. Glattes, aus sorgsam behauenen Steinen gefügtes Mauer­werk und schmale Fensterschlitze kennzeichnen den Wehrbau. Schmückendes Ornament erscheint nur im Bogenfeld des östlichen Erdgeschoßfensters (Fischblasen). Erst oben wird der Schmuck reicher.

Baugeschichte

Der Wunsch nach einer würdigen Grablege des Geschlechts, die Verschwägerung mit aufstrebenden Rittergeschlechtern des ostschwäbischen Raums, die Bedeutung der Pfarrei und ihre reichen Einkünfte sowie die steigende Verehrung des hl. Gangolf mögen die Schenken von Schenkenstein dazu gebracht haben, ein Gotteshaus zu bauen, das im Umkreis alle übertraf. Für den Neubau wurde die bestehende romanische Kirche teils abgerissen, teils für das neue Schiff verwendet. Reste der romanischen Anlage, u. a. drei Fenster, haben sich in der Südwand des Schiffs unter dem Putz erhalten. Die Planung begann wohl unter Albrecht Schenk von Schenkenstein, der zu dieser Zeit im baufreudigen Ellwangen Pfleger war. Albrecht Schenk scheint noch vor seinem Tod (1478) Hans Stiglitz und Leute von dessen Trupp für Röttingen verpflichtet zu haben. Das Schiff der Röttinger Kirche wurde also vor oder um 1480 von Hans Stiglitz von Miltenberg begonnen. Pfarrherr Albrecht Schenk leitete den Neubau allem Anschein nach in die Wege. Dass zwischen Ellwangen und Röttingen eine enge Verbindung bestand, verdeutlichen die drei Schenkenstein’schen Wappen im 1473 von Stiglitz erbauten Ostflügel des Kreuzgangs. Die eigentliche Bauzeit der Röttinger Kirche fällt in die 90er Jahre des 15. Jahrhunderts. Damals wurden Chor, Turm, und der Westteil des Schiffs mit Emporenhalle errichtet. Ob das übrige schon stand, ist ungewiss. Nach der Beschreibung des Oberamts Neresheim wurde der Turm 1499 vollendet. Die Ausstattung zog sich bis gegen 1516 hin. Diese Zahl fand sich 1962 rechts beim Chorbogen, als während der Renovierung Wandmalereien zum Vorschein kamen. Der Röttinger Kirchenbau geht auf Pläne zurück, wie sie in den großen Bauhütten der Gegend angefertigt wurden. Viele Kirchen des schwäbisch-fränkischen Gebiets besitzen einen ähnlichen Grundriss, wobei die Stellung des Turms variiert. Für die Gestaltung des Turms war der Turm von St. Georg in Nördlingen das große Vorbild, Von dort leiten sich die Galerie sowie die durchbrochenen Strebepfeiler am Oktogongeschoß her.

Erste Veränderungen

Das Innere der Röttinger Kirche wurde 1769 im Geschmack der Zeit erneuert und. Wohl zu diesem Zeitpunkt erhielt der Turm seine mächtige, schöngeformte Zwiebelkuppel. Das Aufziehen eines neuen Geläuts gab vermutlich Anlass, in den Fenstern der Glockenstube das Maßwerk zu entfernen und die Öffnungen mit Brettern zu verschließen. 1724 kamen neue Glocken auf den Turm.

Renovation

Teilrenovationen fanden im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts statt. 1962 Gesamtrenovation des Inneren unter Pfarrer Herschlein. Neu: am Hochaltar Tabernakelaufbau und Aufbau über dem Gesims; an den Seitenaltären Strahlenkränze über dem Gesims. 1970 Außenrenovation des Schiffs (Süd- und Westwand). 1971 Erneuerung der Glockenstube und des Glockenstuhls, 1972 Renovierung der Nordwand des Schiffs.

(Auszüge aus der Chronik der Pfarrei Röttingen von Elmar D. Schmid. Literaturverzeichnis und Quellenangaben für die komplette Chronik sind beim Webmaster zu erfragen. Verfielfältigung – auch in Auszügen – nur durch Genehmigung des Autors. Für evtl. Copyrightsverletzungen in der Chronik sind die Seelsorgeeinheit und der Webmaster nicht verantwortlich.)